Dienstag, 21. Mai 2013

Heldentum

Ich bin der Wassertropfen
gegen die Feuersbrunst,
das Sandkorn gegen die Flut,
das Zeitungsblatt gegen den Sturm.

Und doch werde ich
morgen wieder aufstehen,
die Müdigkeit durchstoßen,
um in einem Hinterstübchen
Brötchen zu backen
zu klein selbst für die
Puppenstuben eurer Kinder.
Heimlich hinter dem Spiegel
warte ich auf die große Tat
auf den Ruf,
Rettung zu bringen.

Bis dahin fülle ich
Spendenquittungen,
verschicke Geburtstagsgrüße
und trenne Müll.

Eierlegende Wollmilchsau

Es muss Menschen geben, die fallen auf jene Angebote herein, die ein enormes Vermögen versprechen bei geringfügigen finanziellen Vorleistungen. Wir belächeln ungläubig diese Einfältigen.
Wir erwarten stattdessen, dass Eltern ihre Kinder gemäß dem aktuellen pädagogischen Forschungsstand erziehen und als qualifizierte Fachkraft für ihre Arbeitgeber Höchstleistungen erbringen, dass Unternehmen ökonomisch immer weiter wachsen bei schonendem Umgang mit den natürlichen Ressourcen, dass Partner jeweils flexibel im Beruf sind was Zeit und Ort betrifft und dabei eine harmonische und erfüllende Liebesbeziehung führen, dass Lebensmittelhersteller billig, fair und qualitativ hochwertig produzieren, dass Personen des öffentlichen Lebens sich erbarmungsloser Kritik aussetzen und das mit Freude. Empört blicken wir auf karriereverweigernde Eltern und kinderlose Karrieristen, Greenwashing und Partnerbeschäftigung, Lebensmittelskandale und Politikerrücktritte.
Ist es Gier oder Naivität, die unsere Blindheit speist? Oder das Glück des hämischen Lächelns, wenn wieder einer am Spagat scheitert, erleichtertes Aufatmen, Trost für unser stetiges Leiden am eigenen Anspruch. 

Mittwoch, 15. Mai 2013

Brandstifter

Ich wollte doch nichts
als die alten Tage,
die abgegriffen und grau
keiner mehr brauchte,
ableben und am Ende sauber
in Alben kleben. 

Indes stehst du da
und gießt seelenruhig Öl.
Siehst du nicht,
dass ich brenne,
lichterloh? 

Und wenn es so sein soll,
schließe fest
deine kalten Arme
um meine heiße Brust.

Übergänge

Wir wechseln die Kleider nach den Jahreszeiten, die Wohnorte mit den Liebespartnern und die Lieder gemäß unserer Stimmung. Tags verwandeln wir mit wenigen Schnitten lange Zöpfe und wehende Strähnen in raspelkurzes Haar, dass unsere Freunde erschrocken aufblicken, um in unseren Augen zu ergründen, ob weitere, trennende Veränderungen zu befürchten sind. Abends gleiten wir minuten- manchmal stundenlang aus Wachen allmählich in Schlaf, unfeststellbar welches Wort noch als Letztes in unser Bewusstsein vordrang, wann aus der Erzählung des Autors die Gebilde der Träume erwuchsen. Morgens rätseln wir vergeblich an welcher Abzweigung der neue Weg begann, bleiben uns nur die Daten in unserem Lebenslauf, grobschlächtige Unterteilungen unserer vieler übereinanderlappender, sich ineinander verknäulender, auseinander hervorquellender Leben.

Montag, 29. April 2013

Gleich

Ich habe es doch versucht,
so zu sprechen wie ihr,
so zu denken wie ihr,
so auszusehen wie ihr alle.

Und doch starrt ihr mich wieder an,
das Eine im Visier,
das mich noch unterscheidet.

Wann werde ich euch endlich gleichen.

Nacktheit

So leicht lassen sich jene mit Schmutz bewerfen, die im Licht stehen. Woher diese Wut, mit der die Schere das Lächeln zerschneidet? Und wofür? Lerne ich langsam, mich zu tragen durch den Schmerz der Verletzung, die Enttäuschung der Gutgläubigkeit, die Vergeblichkeit der Rache in dem Glauben an den Dienst, den der zornige Junge schutzloses Leben tötend der Weiterentwicklung der Art erweist. Mit den Lehren wappne ich meine Freude für den nächsten Schlag und würde doch lieber der Vernichtung im Dienste des Hehren entgehen und in Schneckenhausträume fliehen. Aber ich kann es nicht loslassen dieses Wesen, das ich "Ich" nenne, um zu einem anderen mich zu bekehren. Falle ich immer wieder in mich zurück den Hass auf mich ziehend mit meiner Hoffnung.

Dienstag, 2. April 2013

Reprise

Angst, alter Nachtfalter,
flatterst zwischen uns auf,
reisst längst übersprungen geglaubte Gräben
in die gepflegte Ordnung.

Als wären wir nicht durch Täler
Hand in Hand geschritten,
stehe ich wie am ersten Tag
vor Deinem fragenden Blick
mit meinen Tränen.

Sonntag, 31. März 2013

Gewohnheit

Die sekündlich und reichlich auf uns einströmenden Informationen erlegen unserem Wahrnehmungsapparat die Sparsamkeit auf, der alles Subtile, Allmähliche abgeht. Dem Gefahrenpotential entsprechend konzentrieren wir uns auf die großen Veränderungen, die scharfen Kontraste und blenden die langsamen Übergänge notgedrungen aus. Und so erkennen wir die Dämmerung erst, wenn aus buntem Tag dunkle Nacht geworden ist. Dann brechen wir erschrocken unsere Zelte ab auf zu neuen Ufern verwundert wie all dies Grau sich unmerklich einschlich. Können wir dem lautlosen Wechsel ein Schnippchen schlagen die Pause gedrückt den Sprüngen zwischen den Bildern nachspürend.

Samstag, 30. März 2013

Opium

Ich sende Zeichen
aus mir heraus
in langen Ketten ziehen sie sich
von mir fort
hinein durch eure Augen, Ohren
in eure Hirne
durchwandern die Gedanken
bis Eigensinn und Widerspruch
dem süßen Brei sich doch ergeben,
der unsre Welt langsam erfüllt.

Apokalypse

Woran werden wir zugrunde gehen? Wir haben zu dicke Autos, Angst vor Terror, verdienen relativ immer weniger und mehr, verlagern unser soziales Leben in die Welt der Bits, die wir nicht fühlen, riechen und schmecken können und viele weitere Veränderungen jede Minute, jeden Tag, in jedem Jahresrückblick und aus jedem Wandel lässt sich eine neue Version des Weltuntergangs ableiten, denn nur selten vermuten wir eine Hinwendung zum Guten, sehen die Möglichkeit, dass dies auch Vorboten einer besseren Zeit sein könnten. Seltsam, wo die Geschichte im Nachhinein uns doch Aufs wie Abs vermeldet infolge allzu oft falsch eingeschätzter Entwicklungen.

Mittwoch, 20. März 2013

Heilsamkeit

Schreiben kann ich selbst bei Nacht,
ich habe gelernt,
Flüsse zu durchschwimmen
und Kuchen zu backen.
Alles brachtet ihr mir bei.
Nur wie man rettet
das Lachen durch Finsternis,
die Hoffnung über die letzte Stunde,
die Liebe aus tiefem Schmerz,
das lehrtet ihr nicht.

Sonntag, 17. März 2013

Ausreden

Wer den eigenen Beitrag an einer Misere zugibt, handelt sich automatisch Mitleidlosigkeit und Vorwürfe ein. Folglich leugnen wir so lange wie möglich - die Ausrede für das Anausredenfesthalten. Doch wieso verweigern wir den Trost dem, der zu seiner Verantwortung für das eigene Leid steht? Ist der Schmerz eines gebrochenen Beines nicht derselbe ob wir aufgrund von selbstgemachter Hektik, unpassendem Schuhwerk, der durch mangelnden Sport bedingten Koordinationsschwäche oder allein wegen des eisigen Untergrunds fallen? Ahnden wir Fehltritte so gnadenlos im alten Glauben an die lehrreiche Wirkung gerechter Strafe? Dann müssten wir leicht verstehen, dass die Lehre aus der Strafe für das ehrliche Bekenntnis seine Unterlassung ist. Dann müssten wir uns nicht mehr wundern, warum die Belehrten das Ausgeliefertsein der Selbstbestimmung vorziehen. Denn wer sich ändert gesteht dass er irrte.

Mittwoch, 13. März 2013

Warum?

Ich möchte die ewige Frage streichen
aus dem Buch der Gedanken,
die Seite verkleben,
Blüten darin pressen,
dass Staub ihre Zeichen verbirgt.

Doch in jeder Tat lauert
sie wieder an vordem
sicheren Ecken fällt
sie über mich her,
eine leichte Schwäche genügt,
ein kleiner Fleck auf dem Hochglanzplan,
schon versperrt sie die Wege,
hemmt meinen Gang stumpf
erliege ich ihr
scheuend das Licht,
ersehnend die Nacht.

Wie die Tage verkürzen, sie mit
lachendem Morgen und
leuchtendem Blau ausfüllen?

Sonntag, 10. März 2013

Kinder

Eines Tages taucht in der kindlichen Welt des Spielens, der Ausgelassenheit und des plötzlichen Schmerzes die Frage nach dem Warum auf. Die Antworten der Erwachsenen zunächst begierig aufgesogen werden bald schon infrage gestellt und verworfen. Dann beginnt die große Suche nach der eigenen Lösung, immer wieder gefunden, immer wieder verloren. Irgendwann, ob nun das Altern unseren Zweifeln die einseitige Schärfe nimmt oder die Bequemlichkeit unseren Blick trübt, halten wir an einer Entscheidung zunächst noch provisorisch, später mit zunehmender Vehemenz fest. Bis unsere Kinder uns entlarven, die ungelösten Rätsel wieder hervorholen, die faulen Kompromisse aufdecken. Und wir wissen uns anders nicht zu helfen, als sie selbst zum finalen Projekt zu küren, dass sie all die versäumten Chancen, die zurückgestellten Ideale, die vergessene Bedeutung mit ihrem Leben einlösen.

Mittwoch, 6. März 2013

Unstillbare Hoffnung

Über unsere trockenen Wiesen
lassen wir schwarze Herden ziehen,
die werden dürr von den staubigen Halmen,
bis Mittagssonne das Gras entzündet
den Tieren gleich schwarz färbt,
dass wir in unsere Ställe
Wesen aus Asche zurücktreiben,
die zwischen gierigen Kiefern zerrinnen.

Freitag, 1. März 2013

Passion

Es ist dies, dass wir den Weg stets Schritt für Schritt gehen müssen, was uns das Urteil trübt. Von Ferne und im Nachhinein betrachtet ist der Fehltritt klar und die Täuschung unbegreiflich. Und so schützen wir uns vor dem Selbstbetrug, dem Verrennen, dem zu späten Erwachen indem wir misstrauisch jede Bewegung hinterfragen, keine Ausnahme vom Prinzip erlauben, alles Andere zerstören. Erstickt das Wachstum im Keim aus Angst vor unserer Schwäche verdorren die Triebe. Wie erlangen wir den Mut zu fallen zurück, das Bekenntnis zum Größenwahn?

Rast

Und wenn die Dämmerung hereinbricht
bemächtige ich mich deiner Sanftheit,
streichen die Fingerspitzen ein Schlaflied
nach den Noten meiner Träume,
zu betten weich
all die schrägen Töne lauter Tage
zwischen unseren Lippen.

Dienstag, 26. Februar 2013

Mittelmäßigkeit

Bin ich in einer Frage unsicher, zum Beispiel ob ich ruhigen Gewissens fünf Kilo Fleisch im Monat essen darf, ob es ausreicht fünf Stunden am Tag mit meinen Kindern zu verbringen oder ob mit fünf mal in zwei Wochen mein Sexleben erfüllt ist, so informiere ich mich beim Bundesamt für Statistik über die Bandbreite und die Verteilung der vorhandenen Meinungen und suche mir eine ungefähre Mitte. Die Mitte ist meist auch der richtige oder zumindest einfachere Weg, und wenn sie sich doch einmal als falsch erweisen sollte, kann niemand sagen, es wäre vorher schon klar gewesen. Nichtzuletzt halte ich es auch für meine Verantwortung nicht zu weit von der Mitte abzuweichen, schlimm genug, dass nur weil ich Fernsehen nicht mag, irgendjemand in Deutschland fünf Stunden am Tag vor der Kiste sitzen muss, damit wir den Durchschnitt halten.

Montag, 25. Februar 2013

Gemeinschaft



Wie finden sie sich,
die Millimeter zum Meter,
die Häuser zur Stadt,
die Tropfen zum Meer?




Dienstag, 19. Februar 2013

Geschlechter


Die Frage, ob Frauen von selbst, d.h. von Geburt und damit unabhängig von ihrer Sozialisation anders sind, d.h. wären wenn sie nicht sozialisiert wären oder anders sozialisiert wären als Männer aufgrund ihrer wiederum anderen Sozialisation es sind, d.h. die Frage, ob sich Frauen oder Männer auch genetisch unterscheiden, d.h. natürlich tun sie das, aber ob das Genom auch zu Unterschieden in ihrer Art führt, obwohl sie ja zur selben Art gehören, aber möglicherweise sind eben die finalen Unterschiede größer als die welche aufgrund der Gene zu erwarten wären, d.h. sie sind künstlich vergrößert, was bedeuten würde, die Sozialisation verschärft eine ohnehin vorhandene Kluft zwischen den Geschlechtern und trägt dadurch zum einen zu innerpartnerschaftlichen und zum anderen zu innerpersönlichen Konflikten bei, sozusagen einer Entfremdung vom eigenen genetischen Code, d.h. wäre die Sozialisation nicht, wären wir mehr wie wir selbst und damit näher an unser uns eigenen Frau- bzw. Männlichkeit, d.h. wir könnten die in uns angelegten mal mehr mal weniger geschlechtssozialisationstypischen Eigenschaften besser annehmen und wären damit möglicherweise zufriedener, jedenfalls diese Frage, ob wir nun so sein dürfen wie wir wirklich sind oder uns lieber sozialisieren lassen sollten, können wir uns leider immer erst stellen, wenn alle Folgen schon eingetroffen sind, d.h. jede Antwort, die wir auf diese Frage finden, ist bereits durch die mehr oder weniger vollzogene Sozialisation bestimmt.

Samstag, 16. Februar 2013

Einssein


Kratzen die Finger durch feuchte Dunkelheit
auf den Fugen entlang den Mörtel
zwischen den Steinen hervor
an der Grenze zu mir.

Schlägt Atem heftig gegen die kalte Wand,
die dem Druck meiner Hände nachgibt,
breche ich aus mir heraus
in die Leere zwischen euch ein.

Umspüle ich die Fassaden,
unterwandere die Fundamente,
dringe in eure Refugien,
mische mein trübes Wasser
mit eurem seltenen Wein.




Pathos

Irgendwie schade, dass wir gelernt haben, Leiden mit Humor zu tragen. Wer seine Gefühle aus sich herausfluten lässt ist pubertär, lächerlich oder hysterisch. Unser Theater ist Kabarett, unsere Musik cool und in unseren geschriebenen Worten löschen wir die Emotionen mit Ironie ab. Wer traut sich noch einen rasenden Wutausbruch, ein flammendes Liebesgeständnis oder eine abgründige Melancholie zu? Nein, wir sind reflektiert, berücksichtigen die Perspektive unseres Gegenübers, sind in Gelassenheit austrainiert. Statt Leiden empfinden wir Stress, das ist auf Zuviel zurückzuführen, zu viel Arbeit, zu viel Verantwortung, zu viel Gedanken, in denen wir heimlich unsere Gefühle in endlosen Schleifen kreisen lassen. Und nun? Schritt eins: Gefühle ernst nehmen; Schritt zwei: Gefühle empfinden; Schritt drei: Gefühle ausleben. Wir sehen uns in der Psychiatrie.

Freitag, 15. Februar 2013

Schnee


Und in diesem Schnee
verliere ich all meine Tränen,
löschen die tanzenden Flocken
den Schmerz,
ebnen die Fluten die Täler,
verwischen die Kanten,
oben wird unten, verblasst
die Erinnerung an die Nacht.
Versenke ich meine Farbengier
in diesem weißen Grab.

Donnerstag, 14. Februar 2013

Tagebuch um zu

Was bedeutet es zu bloggen, ein öffentliches Tagebuch zu führen? Eine Form des Exhibitionismus, des Größenwahns - andere Menschen mit den eigenen Gedankenblasen zu beschallen in der Annahme, diese könnten Interesse dafür aufbringen. Oder noch weiter: die individuellen Ideen könnten von Wenigen, Vielen aufgegriffen werden und Eingang finden in ihr Denken und Handeln. Daneben die egozentrische Perspektive: Bloggen als Meditation, als Analyse auf der Couch der Gesellschaft, die Gedanken fließen zu lassen ohne Zensur ist das möglich, wünschenswert?

Ich nehme es als Anlass zu schreiben, dem Bedürfnis Buchstaben aufeinander folgen zu lassen nachzugeben, die Angst vor dem Schwarz auf dem Weiß zu überwinden.

Anfang


Kaum erinnerter Nebel
gefärbt aus dem Jetzt.

Zurück auf null,
neu lernen das Atmen,
jeden Morgen das Aufstehen,
das Anschauen der Anderen.

Und wieder den Punkt verpassen,
an dem das Ende anfing.