Neurowissenschaftler machen so
genannte Spiegelneurone dafür verantwortlich, dass wir dazu in der Lage sind,
die Gefühle der Anderen mitzuempfinden, zu spiegeln. Das nennen sie Empathie
und halten dies für eine herausragende menschliche Fähigkeit. Ich glaube, dass
diese Fähigkeit problematisch sein kann. Wir können uns nämlich nicht
entscheiden, nicht mitzufühlen und manchmal ist das Mitfühlen so unangenehm,
dass wir lieber nicht mitfühlen würden. Dann versuchen wir ganz schnell etwas
dagegen zu tun, indem wir die Gefühle, die der Andere in uns auslöst,
bekämpfen. Wir bekämpfen die Angst mit Wut: „Ich bin nicht ängstlich, ich bin
stark!“. Die Hilflosigkeit mit Aktionismus: „Ich bin nicht hilflos, ich tue
etwas!“. Die Verzweiflung mit Ideologie: „Ich bin nicht verzweifelt, ich weiß
wo es lang geht!“. Die Bilder der Geflüchteten zeigen uns ängstliche, hilflose
und verzweifelte Menschen. Was, wenn wir die unangenehmen Gefühle, die die
Bilder in uns auslösen, aushalten und uns die Bilder genauer anschauen? Was,
wenn wir uns den Menschen auf diesen Bildern öffnen, sie spiegeln und
Verbindungen entdecken? Was, wenn wir erkennen, dass diese Menschen auch eine
andere Seite haben, dass sie auch stark, dankbar und hoffnungsvoll sind?
Dann könnten wir anfangen über eine
ganz andere Geschichte zu sprechen und das politische Thema, das mich so
bewegt, wäre plötzlich verändert. Vielleicht wären wir offen für Altes und
würden Neues bewahren oder geflüchtete Nazis umarmen und Beschimpfungen
ausstoßen dafür und dagegen. Bis es soweit ist aber, bitte ich euch, wenn wir
miteinander reden, um Geduld mit meinen Gefühlsverwirrungen, meiner
Ahnungslosigkeit, meiner Unentschiedenheit.